Am Anfang großes Schweigen. Kein Wort fällt. Stille, weil jeder Versuch, ins Gespräch zu kommen, scheitert. „Er hat nicht mit mir geredet, einfach nichts gesagt“, erinnert sich Elisabeth Brandau an den Moment, in dem sie Marco Apel zum ersten Mal begegnet, vor dreizehn oder vierzehn Jahren muss das gewesen sein. Ist lange her. Eine kleine Ewigkeit. Apel tauchte eines Tages in dem Radsportverein auf, in dem sie damals fuhr. Sie fand ihn interessant. Sie fand, sie müsse mehr über ihn herausfinden, ihn ansprechen, aber er, er sprach nicht mit ihr. Stattdessen verließ er den Verein wieder, so plötzlich, wie er gekommen war, weil ihn das BMX-Fahren mehr reizte als der Mountainbikesport, der ja ihre Passion ist – weshalb die Geschichte einer Sportlerliebe an dieser Stelle enden könnte. Aber das tut sie natürlich nicht.
Irgendwann, sagt Elisabeth Brandau, „hat er doch das Reden gelernt“, viele, viele Jahre später, nachdem sie sich längst aus den Augen verloren hatten. Wobei das Reden zunächst vielmehr ein Schreiben war. Über ein soziales Netzwerk. Das war 2013, im Herbst. Es ging um Fahrräder, natürlich Fahrräder, worum sollte es auch sonst gehen. Ein wenig fachsimpeln, aber wenig verfängliches. Sie trafen sich bei einem ihrer Rennen, dann bei einem seiner. ER trennte sich von seiner Frau, SIE wusste nicht, „wohin die Reise mit uns gehen würde“. Es war kompliziert. Aber irgendwie, dachte sie, „ist da irgendetwas. Der hat irgendetwas.“Aber dachte sie auch an Freundschaft? Partnerschaft? Eine Beziehung? Dass Marco Apel, der große Schweiger, als den sie ihn kennengelernt hatte, tatsächlich zum wichtigsten Menschen in ihrem Leben werden würde.
Und dass er noch viel mehr wurde. Er war technisch versiert, ein Fahrradfachmann, sie überlegte, vielleicht einen Mechaniker einzustellen. Erst Lieblingsmensch und später dann, als die beiden längst ein Paar waren, Mechaniker ihres eigenen Rennstalls. Ansprechpartner. Rückhalt. Stütze. Ausgleich. Alles in einer Person. So eine Beziehung, wie Elisabeth Brandau und Marco Apel sie führen, die nicht nur rein privat, sondern auch beruflich ist, kann eine professionelle Sportkarriere unglaublich vereinfachen. „Wir teilen die selbe Leidenschaft. Uns interessieren die selben Dinge“, sagt sie. „Er versteht sehr genau, wie intensiv ich diesen Sport liebe und lebe.“Und deshalb fällt es Apel vermutlich leichter als es anderen fallen würde, alle Entbehrungen, die der Profisport seinen Protagonisten abverlangt, zu akzeptieren.
Elisabeth Brandau und Marco Apel haben etwas gemeinsam, das mehr als ein Hobby ist. Lebensinhalt. Das ein Eigenleben im gemeinsamen Leben führt, wenn man so will. Sie können bis tief in die Nacht über Kettenblättern, Bremsen, Federgabeln und Kugellagern sitzen, grübeln, tüfteln, Ideen entwickeln, Ideen verwerfen, technische Basteleien ausprobieren, wieder und immer wieder, ohne müde zu werden. Sie können stundenlang Streckenprofile studieren, jeden Stein, jede Steigung unter die Lupe nehmen, Taktiken aushecken, Strategien stricken. Sie können sich bei Wind und Wetter im heimischen Schönaich auf ihre Räder schwingen, Kilometer fressen, sich gegenseitig antreiben, an die eigenen Grenzen gehen, Grundlagen schaffen, die Form testen. Sie philosophieren, diskutieren, beratschlagen.
Und doch gibt es diese Momente, Zündstoffmomente, wenn sich das Private mit dem Beruflichen mischt, wenn das alles ein explosives Gemenge ergibt. Gerade Misserfolge zählen zu den größten Belastungsproben, die diese Beziehung aushalten muss. Ganz gleich, wer die Verantwortung für Rückschläge trägt, die Fahrerin oder der Mechaniker. Es gab und gibt Momente, wenn die Enttäuschung so groß wie ihr Ehrgeiz ist, „in denen ich ihm auf der Stelle kündigen will. Doch zum Glück genügt mir meistens eine Nacht, um mich wieder zu beruhigen. Um die Dinge in einem anderen Licht zu sehen und dann ist auch schon alles wieder gut“, sagt Elisabeth Brandau. „Ich hatte schon immer meine Launen und denke, dass Marco ganz gut gelernt hat, damit umzugehen. Außerdem bin ich seit der Geburt von Maximilian deutlich entspannter geworden.“
Die Schwangerschaft, die Geburt, diese turbulente Zeit mitten in der Saison, sich neu ausrichten, neu einrichten, schweißt das Paar in den vergangenen Jahren zusammen. „Wir sind beides Familienmenschen. Wir haben die selben Ideen davon, wie eine Familie funktionieren sollte. Die selben Werte. “Zum Beispiel, sagt sie, wünsche sie sich manchmal, allein zu sein. Ganz für sich. „Dann könnte ich mich besser auf das Radfahren konzentrieren, fokussieren.“ Kind, Mann, Familienalltag, mitunter auch Familienwahnsinn, wenn sie zu dritt im Wohnmobil, auf engstem Raum, auf Reisen unterwegs zu den Rennen sind, das lenkt ab. Kostet Energie. Zeit. Nerven. Aber alleine zu sein, kann eben auch bedeuten, einsam sein und ist für Elisabeth Brandau längst keine Alternative mehr.
In über zwei Jahren nun, in denen Elisabeth Brandau von Partner und Saunahersteller Röger auf ihrem Weg zu den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro unterstützt und begleitet wird, hat sie sich verändert. Haben sie sich als Paar verändert. Ein bewährtes Team mit klarer Rollenverteilung, das im Wettkampf funktioniert, wie im Training oder während Regenerations- und Erholungsphasen. „Marco weiß, was ich für einen Aufwand betreiben muss und er weiß, was er investieren muss, um mich bestmöglich zu unterstützen.“ Sie waren Ende 2015 zum Trainingslager auf Mallorca. Sie haben den Cyclo-Cross-Titel Anfang des Jahres in Vechta gefeiert. Waren in Frankreich, bei der Querfeldein-WM in Belgien, feierten Siege in dieser Mountainbike-Saison etwa in Griechenland und auf Zypern. Flogen nach Südafrika und Australien und zur Europameisterschaft nach Schweden.
Sportliche Erfolge sind der zählbare, sichtbare Lohn eines Lebens, das die ganze Familie einnimmt, den Alltag diktiert, den Ton angibt und irgendwie auch die Musik macht. „Und wenn Marco das nicht alles mitmachen würde, wüsste ich nicht, ob ich heute an dem Punkt stehen würde, an dem ich nach der Pause schon wieder angelangt bin“, sagt Elisabeth Brandau. Rio ist nach wie vor in Reichweite. Wobei es nicht immer der Platz ganz oben auf dem Treppchen sein muss, nicht die schweren Pokale, das Blitzlichtgewitter, das Bestätigung und Entschädigung zugleich ist. Es können auch Momente wie dieser sein, denen Elisabeth Brandau merkt, spürt, fühlt, in den vergangenen Monaten und Jahren vieles richtig gemacht zu haben. Daheim in Schönaich, wenn Maximilian schläft und sie und Marco in der Sauna sitzen. Und schweigen.