Den richtigen Moment erwischen, auch das ist eine Kunst. Die richtigen Fragen stellen. Die richtigen Antworten finden. Die richtige Entscheidung treffen. Sportlerkarrieren sind endlich. Immer. Und doch gibt es keine Anleitung, keine Blaupause, keine Schablone. Niemanden, der einem verlässlich sagen kann, was der richtige Augenblick ist. Wann? Aufhören, wenn es am schönsten ist? Oder der Körper einem signalisiert, dass die Grenze des Zumutbaren erreicht, vielleicht überschritten ist? Sollte man auf seine Trainer hören, auf Fachleute, die eigene Familie oder am Ende nur auf sich selbst? Und was kommt dann? Nach der Karriere? In jedem Ende steckt ein Anfang. Oder wartet doch die große Leere?Elisabeth Brandau hat sich all diese Fragen gestellt. Hat sich ihnen gestellt. Sie ist jetzt 30 Jahre alt. Sie hat viel erlebt. Viel erreicht. Sie war mehrfache deutsche Meisterin in verschiedenen Mountainbike-Disziplinen. Sie gehört zu den besten Fahrerinnen in diesem Land. Bekannt. Beliebt. Sie ist vielseitig, vielfältig, vielfach ausgezeichnet, viel gereist. Sie hat das in den vergangenen Jahren alles unter einen Hut bekommen, irgendwie koordiniert, sich organisiert, nie lamentiert. Die Karriere. Den Beruf. Die Arbeit als Teamchefin und Managerin ihres eigenen Rennstalls. Die Familie. Sohn Max. Sie hat von Olympia geträumt, geackert, fest daran geglaubt bis zuletzt, aber das Rennen von Rio bloß vor dem Fernseher verfolgt.
Jetzt sagt sie: „Ich bin schon kaputt. Die vergangenen anderthalb Jahre waren mental extrem anstrengend.“ Ein Resümee. Aber auch schon ein Fazit?
Wenn sie jetzt also einfach aufhören würde? Von einem Tag auf den anderen? Spontan. Aus dem Bauch heraus. Wer würde ihr das verübeln? Es nicht verstehen, nicht nachvollziehen können? Wer ihre Geschichte, die von Partner und Saunahersteller Röger unterstützt und begleitet wird, an dieser Stelle aufmerksam verfolgt; wer mit Elisabeth Brandau gefühlt, gelitten und gejubelt hat; wer sie nun etwas näher kennt, dem würden sicher gute Gründe für ein Karriereende einfallen. Brandau hat diesen tiefen Einblick in die Welt des Profisports gewährt, sich geöffnet, sich nicht verstellt. Sie hat nicht nur von Sonnen- sondern auch von Schattenseiten erzählt, darüber, was schwierig war und ist. Sie war immer authentisch.
Die vergangenen Monate, besser: Jahre, haben Spuren hinterlassen. Physisch wie psychisch. Sie ist keine zwanzig mehr. Enttäuschungen bleiben länger haften, Prioritäten verschieben sich. Wunden verheilen langsamer, auch wenn sie zuletzt wahrscheinlich wie noch nie in ihrer Karriere auf ihren Körper geachtet hat. Sie hat sich immer wieder Ruhephasen gegönnt, Auszeiten genommen, hat sich in ihre Sauna zurückgezogen, sich erholt, entspannt, regeneriert. Sie war aber auch schon immer eine Kämpferin. Jemand, den Rückschläge nicht verzweifeln lassen, den Niederlagen stärker machen. Sie kann jetzt nicht einfach aufhören. Sie will nicht. Sie muss weitermachen. Sie kann nicht anders.
„Ich hätte schon große Lust auf Tokio“, sagt sie. 2020 gastieren die Olympischen Spiele in Japan, der Tross zieht weiter, the show must go on. „Ich weiß, was ich hätte anders machen können“, sagt sie rückblickend auf die verpasste Chance, sich bereits in Rio ihren Traum von Olympia zu erfüllen. Auch wenn sie im Gespräch immer wieder betont, das alles erst einmal sacken lassen zu müssen. Dass sie Abstand braucht. So ist sie längst in der Analyse. Der Blick geht zurück, um nach vorne schauen zu können. „Ich habe diesen Ehrgeiz. Ich weiß, was mein Körper kann. Ich weiß um meine Stärken wie auch um meine Schwächen. Ich fände es schwierig, jetzt einfach so aufzuhören.“
Und dann sprudelt es nur so aus ihr heraus. Es ist ein leidenschaftlicher Appell an ihre Förderer und Kritiker. Vor allem aber ist es ein Appell an sie selbst. „Ich muss meine Perspektive ändern. Das gilt für meinen Trainingsplan genauso wie für meinen Rennkalender. Ich muss vom Kopf her etwas ändern. Ich bin zuletzt zu viele Rennen gefahren. Ich wollte überall dabei sein. Mich auf der ganzen Welt beweisen. Ich muss mich aber mehr auf die großen Rennen konzentrieren. Mir alles besser einteilen. Wenn ich zu den Besten gehören will, dann muss ich mich mit den Besten messen. Mich im Weltcup beweisen. Und wenn ich nach Tokio will, dann nicht nur, um dort einfach nur mitzufahren, sondern dann will ich auf das Podest.“
Sie will sich einen neuen Trainer suchen. Will neue Impulse. Neue Reize. „Ich bin total motiviert. Ich weiß, dass ich noch immer das Potenzial habe, mich zu verbessern. Mein Fokus lag zuletzt zu wenig auf der Abfahrt. Da muss ich ansetzen. Es sind technische Aspekte wie diese, an denen ich weiter arbeiten muss. Konditionell müsste ich wie die anderen Fahrerinnen drauf sein. Und die Möglichkeiten, die ich dank Röger zur Regeneration habe, sind exzellent. Ich muss die Kombination aus beiden Aspekten optimieren.“ Und da ist noch etwas. Noch ein Faktor. Weicher. „Ich habe unglaublich Spaß am Radfahren und dem ganzen Drumherum. Das ist trotzt aller Konkurrenz wie eine Familie. Und die würde ich sehr vermissen.“
Der Plan. Das kommende Jahr solle ein Jahr des Übergangs sein. Sie wird das alles gründlich vorbereiten müssen – Tokio 2020. Ihren eigenen Rennstall auf den Prüfstand stellen, an dem ihr Herz so hängt, den sie nicht im Stich lassen, mit dem sie weitermachen möchte. Gespräche mit Sponsoren und Ausrüstern führen. Türklinken putzen. Möglichkeiten ausloten. Werben. Verhandeln. Weichen stellen. „Wenn ich es mir persönlich nicht zutrauen würde“, sagt Elisabeth Brandau, „dann würde ich jetzt aufhören. Aber um weiterzumachen, muss es auch finanziell machbar sein. Ich muss mich über Wasser halten können. Ich muss wissen, dass ich die Qualifikation für Tokio so professionell wie möglich angehen kann.“
Aber Druck? Druck verspürt sie dabei nicht. „Ich habe so viel Glück in anderen Dingen. Ich bin da ganz entspannt.“ Sie ist wieder schwanger.
Es bleibt spannend.
Egal was kommt. Die Sauna bleibt.